9,2-Millionen-Euro-Auftrag für die L94-Baustelle vergeben

Der Gemeinderat Zell vergab am Montag die Arbeiten für die ­Sanierung der Ortsdurchfahrt Unterharmersbach. Das Bauunternehmen Reif aus Rastatt erhielt für rund 9,2 Millionen Euro den Zuschlag. Oberharmersbacher Unternehmer hatten zuvor über einen Anwalt vergeblich versucht, den Beschluss zu verhindern.


Die nun deutlich näherrückende Sanierung der Ortsdurchfahrt Unterharmersbach schürt offensichtlich immer noch Ängste. Dies, obwohl die Stadt Zell am 11. Mai öffentlich erklärt hatte, dass auch während der Bauzeit Fahrzeuge jeglicher Art die Baustelle passieren können.

Unternehmen, die talaufwärts nach der Baustelle angesiedelt sind, trauten dieser Ankündigung wohl nicht. Besonders in Oberharmersbach blieben die Zweifel, wohl auch, weil die Stadt Zell von »möglichen kurzzeitigen Sperrungen« sprach und auch, da sich Zell gleichzeitig für großräumige Umfahrungen, wie etwa über Schäfersfeld und den Löcherberg starkgemacht hatte.

Dass besonders die Oberharmersbacher fürchten, während der rund zweijährigen Bauphase auf der L 94 »abgeschnitten« zu werden, zeigte sich auch an ihrer großen Präsenz in der Gemeinderatssitzung am Montag in Zell, als es um die Auftragsvergabe »Sanierung Ortsdurchfahrt« ging. Auch Oberharmersbachs Bürgermeister Siegfried Huber war unter ihnen.

Um ihre Sorgen zu unterstreichen, hatten fünf Unternehmen, hauptsächlich aus Oberharmersbach, ein Rechtsanwaltsbüro mit der Wahrung ihrer Interessen beauftragt. In einem Schreiben vom Freitag an die Stadt wurde gefordert, auf die Auftragsvergabe am Montag zu verzichten.

»Schreiben durch Anwalt geprüft«

Dies nahm Zells Bürgermeister Günter Pfundstein zum Anlass für eine Erklärung. »Nach einer Prüfung und Bewertung des Schreibens durch ein Anwaltsbüro sind wir zum Ergebnis gekommen: Einer Beschlussfassung zur Auftragsvergabe steht nichts entgegen.«

Zells Bürgermeister begründete dies damit, dass mit dem Landratsamt, der Polizei und dem Planungsbüro eine Lösung aufgezeigt wurde, die den gewerblichen Anlieferungsverkehr sowie den Produkt- und Warenabtransport im Tal jederzeit sicherstellt.
»Das hat die Gemeinde Oberharmersbach ausdrücklich begrüßt«, so Pfundstein, der aus einer Mail seines Amtskollegen Huber kurz nach der entsprechenden Pressemitteilung zitierte: »Damit dürfte der Druck aus dem Kessel genommen sein. Sicherlich noch nicht bei allen, aber dies ist eine Kehrtwende...«

Ursprünglich war davon die Rede, dass die L 94 bei halbseitiger Sperrung aus Sicherheitsgründen für Fahrzeuge über 7,5 Tonnen tabu sein soll. Das ist inzwischen nach dem Behördengespräch hinfällig.
Günter Pfundstein wiederholte nochmals, dass »die L 94 während der Baumaßnahme grundsätzlich von allen Fahrzeugen befahren werden kann«.

Die Routen über Löcherberg und Schäfersfeld garantieren laut Bürgermeister darüber hinaus, dass Schwerlastverkehr ohne große Umwege in Richtung Süden abfahren könne. Ein- und Ausfahrt ins Tal sei jederzeit sichergestellt.
Zusätzlich habe die Stadt  zugesagt, weiterhin mit Nachdruck daran zu arbeiten, innerorts eine Umfahrungsstrecke zu ermöglichen. »Sobald die genauen Bauzeitenpläne stehen, kann abgeschätzt werden, wo und wie lange kurzzeitigen Sperrungen nötig sind.«

Zells Bürgermeister äußerte gleichzeitig für die Situation der Unternehmer vollstes Verständnis. »Im Sinne des Gemeinwohls sollten wir allerdings zusammen- und nicht gegeneinander arbeiten«.
 
"Löcherbergstrecke Im Winter ungeeignet"

Die Bürgerfrageviertelstunde und auch die späteren Wortbeiträge im Gemeinderat machten deutlich, dass einige die Umfahrung Löcherberg für ungeeignet halten, besonders im Winter. Günter Pfundstein wies darauf hin, dass im Winter auch die Baustelle witterungsbedingt ruhe und befahren werden kann. Deutlich wurde auch, dass eine innerörtliche Umfahrung bei eventuell notwendigen kurzzeitigen Sperrungen für betroffene Unternehmen wohl die sinnvollste Lösung wäre.
 
Ludwig Schütze formulierte für die SPD-Fraktion einen Zusatz zur Auftragsvergabe, der genau dies enthält: »Die Stadt Zell verpflichtet sich, alle notwendigen und möglichen Maßnahmen zu ergreifen, um eine ganztägige Durchfahrbarkeit zu erreichen, beispielsweise durch innerörtliche Umfahrungen.« Dies solle für Fahrzeuge aller Art gelten.

Schütze bezeichnete die Dimension des 9,2-Millionen-Euro-Auftrags »historisch für Zell«. Seinen Antrag zum Zusatz der Auftragsvergabe begründete er auch mit der guten Nachbarschaft zu Oberharmersbach und der Notwendigkeit, auch auf kleinere Firmen Rücksicht zu nehmen. Die SPD-Fraktion halte weiträumige Umfahrungen für nicht zumutbar.
 
Martin Teufel (Grüne Liste) sprach sich ebenfalls für den Zusatz bei der Auftragsvergabe aus. Hannes Grafmüller (CDU) betonte, dass der Gemeinderat die beste Lösung für alle Beteiligten suchen werde.
Letztlich passierte die Auftragsvergabe einstimmig den Gemeinderat. Mit Zusatz.
 
Am Ende gab es sogar Beifall der Zuhörer.

Autor: Dietmar Ruh, Offenburger Tageblatt

(Erstellt am 14. Juni 2017)