Das Smartphone – ein digitales Taschenmesser

Janine Dietrich informierte Eltern über den Umgang mit neuen Medien

Würden Sie einen Fünfjährigen mit einem Schweizer Taschenmesser hantieren lassen? Sicher nicht! Die Ablehnung der Zuhörer war einstimmig, als die Kommunikations- und Erziehungswissenschaftlerin während ihres Vortrags im Zeller Kulturzentrum die verblüffende Frage stellte. Auf Einladung des Förderkreises Bildungszentrum Ritter-von-Buß referierte Janine Dietrich über die Nutzung digitaler Medien, speziell des Smartphones. Dabei kamen Chancen dieses Mediums –vergleichbar einem wichtigen „Werkzeug“ - ebenso zur Sprache wie die Gefahren. Empfehlungen und Tipps gab es für Eltern und Lehrer. Nach dem knapp zweistündigen Vortrag und einer regen Diskussion dankte der Vorsitzende des Fördervereins, Bernd Antes, der Referentin unter dem Beifall des Publikums mit einem „Hahn und Henne“- Präsent.
Beeindruckend sachkundig und souverän erklärte Janine Dietrich die komplexe Thematik, durchweg mit aktuellen Zahlen belegt und mit Bildern und kurzen Filmen veranschaulicht. So erfuhr man, dass im Verlauf der Entwicklung vom Kleinkind bis zum Heranwachsenden das Lesen von Büchern an Bedeutung verliert, während der Fernsehkonsum kontinuierlich wächst und das Smartphone zum ständigen Begleiter wird. Im heutzutage „unvermeidlichen Ranking“ – so die Referentin – bedeutet dies: Platz 3 für das Buch („Durchhänger“), Platz 2 für das Fernsehen („Dauerbrenner“) und Platz 1 für das Smartphone („Überflieger“).
Gegenseitiges Vertrauen ist wichtig
Wie sollten Eltern reagieren, wenn ihre Tochter oder ihr Sohn den Wunsch nach einem Smartphone äußert? Ein Rezept gibt es nicht – weder für alle Kinder noch für alle Erziehungssituationen. Eltern müssen sich darüber im Klaren sein, welche Prinzipien ihnen wichtig sind und welche Regeln gelten sollen. Und das muss gemeinsam mit den Kindern besprochen werden. Dabei nehmen das Alter des Kindes und der Grund für die Nutzung eines Handys eine zentrale Rolle ein. Gemeinsam mit den Eltern kann schon ein Kleinkind etwa Urlaubsfotos auf einem Handy oder Tablet betrachten oder ein Lernspiel mit einem altersgerechten Inhalt nutzen. Für das selbstständige Surfen im Internet sollte ein User allerdings nicht jünger als 16 Jahre sein. Es lässt sich jedoch nicht alles kontrollieren, was der Nachwuchs postet oder welche Seiten im Netz er aufruft. Kinder und Jugendliche brauchen auch ein Stück weit einen „erwachsenenfreien Raum“, erklärte Frau Dietrich. Wer im realen Leben Hemmungen hat mit anderen Kontakt aufzunehmen, ist im Internet ungezwungener. Das kann auch im realen Leben helfen. Wenn ein Vertrauensverhältnis besteht und Eltern und Kinder offen miteinander sprechen, können Risiken minimiert werden.
Auch das Risiko eines Suchtverhaltens kam zur Sprache. Eine eigenständige Diagnose „Mediensucht“ gibt es zwar (noch) nicht, aber verschiedene Faktoren können beobachtet werden, wie etwa die Dauer der Nutzung oder der Konsum bestimmter Inhalte. Und dennoch ist die Beurteilung schwierig: Manche Jugendliche spielen drei Stunden am Tag oder länger und verhalten sich sonst normal. Manche spielen zehn Minuten und werden aggressiv, wenn sie aufhören (müssen). Wichtiger ist die Frage: Was leidet unter der Mediennutzung des Kindes oder Jugendlichen? Eltern sollten erkennen, wenn sich der Alltag ihrer Kinder nur noch um das Handy dreht oder sie sich nicht mehr mit sich selbst beschäftigen können.
Auszeiten für das Handy festlegen
Ein zunehmendes Risiko besteht auch beim so genannten Sexting: Jugendliche versenden erotische Bilder von sich selbst. Die Folgen werden ihnen oft erst bei unerlaubten Veröffentlichungen klar, oft im Zusammenhang mit Mobbing. Weniger bekannt, aber unter Umständen noch gefährlichere Konsequenzen hat das „Cybergrooming“, bei dem sich Erwachsene unter falscher Identität über die sozialen Netzwerke an Kinder oder Jugendliche heranmachen.
Seit Jahren unter Experten umstritten ist der Einfluss des Handygebrauchs auf das Gehirn Heranwachsender. Der Ulmer Forscher Manfred Spitzer und der Braunschweiger Neurobiologe Martin Korte haben festgestellt, dass Merkfähigkeit und Konzentrationsvermögen abnehmen. Wer viel auf dem Display herumklickt, lässt sich leichter ablenken. Deshalb sei es wichtig, strikte Auszeiten für „Handy & Co.“ festzulegen, betonte Janine Dietrich. Obwohl es eine stetige Herausforderung ist, das richtige Maß im Umgang mit dem Smartphone zu finden, sollte man alles daran setzen, die Kinder und Jugendlichen für die Risiken zu sensibilisieren. Wichtig ist, dass die Eltern Vorbilder sind. Wenn am Esstisch abgemacht ist das Handy nicht zu nutzen, müssen auch die Eltern das Handy weglegen.
Mit einer Liste von Adressen und Hinweisen gab Frau Dietrich den Interessierten eine Hilfe an die Hand. Fazit: Seit im Jahr 2007 das iPhone eingeführt wurde, tragen wir das Internet mit einer Fülle von Informationen im Telefon bei uns. Das Smartphone hat sich flächendeckend durchgesetzt, weil es diesen Mehrwert bietet. Man muss es nur richtig nutzen.
 
Autor: Hansjörg Wörner

(Erstellt am 10. Dezember 2019)