Der Harmersbach in Zell wird gezähmt

Rund zehn Millionen Euro wird das Hochwasserschutz-Konzept der Stadt Zell kosten, dessen Einzelmaßnahmen bis 2030 umgesetzt werden sollen. Pfundstein: "Alle haben was davon!"

Die extremen Wetterereignisse nehmen zu und spätestens seit der Flutkatastrophe im Ahrtal im Juli 2021 steht Hochwasserschutz bei vielen Kommunen auf der Agenda. Das Land Baden-Württemberg unterstützt die Kommunen beim Schutz vor Hochwasser, übernimmt bis zu 70 Prozent der anfallenden Kosten, möchte allerdings stimmige und realistische Hochwasserschutz-Konzepte.

Auch die Stadt Zell hat ein solches Schutzkonzept auf den Weg gebracht. 2019 erstellte das Ingenieurbüro Wald und Corbe eine Flussgebietsuntersuchung samt Kosten-Nutzen-Berechnung. Beides ist nun Grundlage fürs weitere Vorgehen, das die Schaffung von Überflutungsflächen, Bachverschwenkungen, Bypässen oder Erweiterung von Durchlässen bei Brücken sowie individuelle Schutzmaßnahmen beinhaltet.

Bis zu rund zehn Millionen Euro wird es kosten, den Harmersbach inklusive der kleineren Wasserläufe in den Ortsteilen soweit zu zähmen, dass die Stadt für ein 100-jährliches Hochwasser gewappnet wäre. Das Land erkannte das Maßnahmenkonzept inzwischen als grundsätzlich förderfähig an, würde sich mit bis zu 70 Prozent an den Kosten beteiligen. Rund 3,5 Millionen Euro müsste die Stadt Zell beisteuern. 

Am Montag war der Hochwasserschutz Thema im Gemeinderat Zell, das für die Umsetzung des Konzepts beauftragte Büro Inros Lackner stellte sich vor und beschrieb grob die weiteren Schritte. Klar ist nach Aussage von Bürgermeister Günter Pfundstein, dass die Ausführung der Hochwasserschutzmaßnahmen „mindestens bis 2030“ dauern werde. Pfundstein warb für die Maßnahme, die letztlich allen zu Gute komme: „Das Land und die Stadt wollen helfen und die Situation verbessern. Jeder hat etwas davon“, betonte er. Der nun vorgesehene Hochwasserschutz sei eine freiwillige Aufgabe der Stadt, also ein Angebot an die entsprechenden Grundstückseigentümer. 

Es gibt Bedenken

Der Bürgermeister räumte auf OT-Nachfrage ein, dass es in Teilen der Bevölkerung  Bedenken gebe, besonders wenn das eigene Grundstück betroffen ist. „Jeder bekommt eine Individuallösung vorgeschlagen, wie er sich gegen das 100-jährliche Hochwasser schützen kann. Wird das umgesetzt, fallen für den Grundstückseigentümer keine Kosten an. Es ist durchaus denkbar, dass es unterschiedliche Lösungsmöglichkeiten gibt. Fenster und Türen sichern oder vielleicht eine Mauer bauen/erhöhen, um das Gebäude zu schützen.“

Und Pfundstein sieht im Hochwasserschutz sogar Vorteile für die einzelnen Grundstückseigentümer: „Ein großer Teil auch des eigenen Grundstücks bleibt durch die Terrassierung vom Hochwasser verschont. Darüber hinaus wird es baurechtlich für Grundstücke entlang des Bachlaufs neue Möglichkeiten geben. Baugenehmigungen etwa für Anbauten oder Garagen wären auf den Grundstücken plötzlich möglich, was bisher durch das Amt für Wasserwirtschaft abgelehnt werden musste. Wenn jemand etwas bauen wollte und auf dem eigenen Grundstück nicht für einen „Wasserausgleich“ sorgen kann, gab es bislang keine Baugenehmigung. Nach erfolgten Hochwasserschutzmaßnahmen ist der Ausgleich nicht mehr auf dem eigenen Grundstück zu bringen, sondern wäre flächig entlang der Bachläufe sichergestellt.“

Zells Bürgermeister sagt aber auch: „Einzelinteressen müssen gegenüber dem Gemeinwohlinteresse zurückstehen. Sollte also aufgrund fehlender Bereitschaft einzelner Schlüsselgrundstücke keine Gesamtlösung gefunden werden, könnte das Projekt noch scheitern.“ 
Pfundstein verglich das Hochwasserschutz-Projekt mit dem Ausbau der Ortsdurchfahrt Unterharmersbach. Auch dort galt es, Einzelinteressen mit dem großen Ganzen in Einklang zu bringen, was letztlich gelang. „Es ist die L 94 zu Wasser“, beschrieb er am Montag die Aufgabe.

„Transparenz wichtig“

Im Gemeinderat war kein Beschluss notwendig, da es sich nur um die Vorstellung des zuständigen Büros handelte. In der kurzen Aussprache betonte Sybille Nock (Grüne Liste), dass gerade bei solch einem Großprojekt Information und Transparenz für die Bürger besonders wichtig seien. Auf ihre entsprechende Anfrage kündigte Michael Haug von Inros Lackner an, dass es vermutlich bereits im ersten Quartal 2024 einen Informationsabend für Bürger zum Thema geben solle.

Autor: Dietmar Ruh, Offenburger Tageblatt